HNA

08.02.2018 - Auch die HNA widmet Thomas Buergenthal einen Artikel

KZ-Überlebender Buergenthal im Felix-Klein-Gymnasium
Ein Brief von Schülern bewegt Holocaust-Zeitzeugen

Göttingen. Während seines Besuches am Göttinger Felix-Klein-Gymnasium (FKG) stand der Ausschwitz-Überlebende Thomas Buergenthal den Schülern Rede und Antwort.
Der Jurist aus den USA bekam von Zwölftklässlern des Deutschtutorkurses auch einen bewegenden Brief überreicht. Der Besuch von Thomas Buergenthal stieß bei den Schülern des FKG auf großes Interesse,, die Aula war bis auf den letzten Platz gefüllt.
1934 im tschechischen Lubochna geboren, wurde Thomas Buergenthal mit seiner Familie von den Nazis als Kind in das Zwangsghetto in Kielce im besetzten Polen und später in die Konzentrationslager von Auschwitz und Sachsenhausen verschleppt. Im Winter 1944/45 überlebte er einen der Todesmärsche aus den Konzentrationslagern. Nach der Befreiung lebte Buergenthal mit seiner Mutter in Göttingen, wo er das FKG besuchte, um 1951 in die USA auszuwandern und dort Jura zu studieren.
„Es ist wunderbar, wieder in dieser Schule zu sein“, sagte Buergenthal nach der Begrüßung durch Schulleiter Michael Brüggemann. Er habe sich während seiner Zeit als Schüler „immer sehr wohl gefühlt“.
Besondere Bedeutung hatte der Besuch des 83-Jährigen bekommen, nachdem der Deutschtutorkurs des 12. Jahrgangs im Zusammenhang mit Buergenthals Buch „Ein Glückskind“, das von seiner Zeit in Auschwitz erzählt, einen Brief an den Jura-Professor geschrieben hatte. Er entstand während einer Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz. In dem Brief, den eine der Verfasserinnen während in der voll besetzten Aula verlas, bedanken sich die Schüler, dass Buergenthal seine Geschichte aufgeschrieben hat und ihnen so einen emotionalen – und nicht nur intellektuellen – Zugang zum Thema Holocaust ermöglichte.

Fragen der Schüler an Buergenthal

„Keiner von uns wird sich je vorstellen können, was Sie durchlitten haben, aber Sie gaben uns eine Ahnung davon“, sagte die Schülerin. Und weiter: „Sie haben mit Ihrer Geschichte den Staub davon geblasen. Das Glückskind ist ein Glück für die ganze Welt.“ Thomas Buergenthal zeigte sich tief bewegt. Er kündigte an, „diesen wundervollen Brief“ als Anhang in die Neuauflage seines Buches, das in zahlreichen Ländern erscheint, einfügen zu wollen.Bei der anschließenden Fragerunde in der Aula des Felix-Klein-Gymnasiums (FKG) stand Thomas Buergenthal bereitwillig Rede und Antwort. Hier die wichtigsten Fragen der Schüler an den Zeitzeugen und Buchautor:
Wie haben Sie gelernt, den Menschen zu vergeben? Thomas Buergenthal: Auch wenn ich nie vergessen habe, so habe ich doch hier in Göttingen den Hass verloren. Hier habe ich gesehen, dass es auch andere Deutsche gibt. Haben Sie als Richter das Gefühl, dass die Welt aus dem Holocoust gelernt hat? Buergenthal: Deutschland ist das beste Beispiel dafür, dass man daraus gelernt hat. Es ist heute schließlich eines der demokratischsten Länder überhaupt. Die Welt hat sich aber nicht so sehr verändert, wie es sein müsste. Ich würde mir wünschen, das andere Länder – unter anderem auch die USA – von Deutschland lernen.
Stört es Sie, wenn heute Menschen vor dem ehemaligen Konzentrationslager in Auschwitz Selfies mit dem Handy machen? Buergenthal: Nein, überhaupt nicht! Für mich ist es wichtig, wenn sie überhaupt da sind und sich der Geschichte bewusst werden.
Warum haben Sie Auschwitz überlebt? Buergenthal: Ich habe als Zehnjähriger einen persönlichen Krieg gegen Hitler gekämpft und wollte ihn nicht gewinnen lassen. Ich hatte aber sicher auch viel Glück! Was empfinden Sie, wenn Sie über die heutige Flüchtlingsströme nachdenken? Buergenthal: Wenn ich Kinder auf der Flucht sehe, dann sehe ich mich selbst.
Was sagen Sie Menschen, die den Holocaust verleugnen? Buergenthal: Gar nichts! Diese Menschen wollen uns zum zweiten Mal töten und auf sie zu reagieren wäre genau das, was sie wollen. Ich ignoriere sie daher einfach. 

Zur Person

Thomas Buergenthal, geboren am 11. Mai 1934 in Lubochna (Tschechoslowakei), ist ein US-amerikanischer Jurist und Autor mit deutschen Wurzeln. Er hat das KZ Auschwitz überlebt. Bis 1951 lebte er mit seiner Mutter in Göttingen und besuchte das Felix-Klein-Gymnasium, ging dann zum Jura-Studium in die USA. Als Professor arbeitete er an den Universitäten in New York/Buffalo, Texas, Washington D.C. und war Professor für Menschenrechte an der Emory University sowie Direktor des Menschenrechtsprogramms am Carter Center. Daneben war Thomas Buergenthal Richter an internationalen Gerichten und beschäftigte sich dabei insbesondere mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen. Ab März 2000 war er Richter am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. 2010 legte er sein Richteramt nieder, um an die George Washington University zurückzukehren. In Göttingen ist seit 2008 das Haus der Stadtbibliothek nach Buergenthal benannt.

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